„Stimmig zur Person“ vs. „Opportunity Recognition“

Veröffentlicht am: Feb 3, 2016
Entrepreneurship Campus

Von Entrepreneurship Campus

„Stimmig zur Person“ vs. „Opportunity Recognition“

Auszug aus dem "Handbuch Entrepreneurship" - Hrsg. Günter Faltin:

Viele Theoretiker des Entrepreneurship bauen das Argumentationsgebäude des Entrepreneurship auf dem Konzept der Opportunity Recognition auf*. Man entdeckt eine Gelegenheit, erkennt die Chance in ihr, und mobilisiert Ressourcen, die Gelegenheit zu nutzen. Am besten rasch, bevor andere ebenfalls die Gelegenheit erkennen und handeln. Diese Vorgehensweise, obwohl sie zweifellos ökonomisch Sinn macht, ist jedoch nicht unproblematisch.

Wollen Sie auf unabsehbare Zeit etwas tun, was Ihnen keinen Spaß macht und Ihre Lebensgeister mehr betäubt als weckt? Der Serial Entrepreneur Holger Johnson** sagt: „Ich hasse Gelegenheiten.“ Sie verführten dazu, wohldurchdachte Wege zu verlassen, ohne langfristige Perspektiven zu eröffnen. Gelegenheiten seien oft temporäre Phänomene. Sich auf diese Weise selbständig zu machen sei jedenfalls kein Weg zu mehr selbstbestimmter Arbeit und intrinsischer Motivation.

Es gibt aber noch eine andere Sichtweise auf den Ansatz der Opportunity Recognition. Man kann Gelegenheiten auch aktiv schaffen***. Turn a problem into an opportunity bietet sich dafür an.

Setze dich für ein Anliegen ein. Go for a cause. Ob eine solche Betrachtungsweise allerdings zutreffend mit dem Begriff „Gelegenheit“ umschrieben ist, sei dahingestellt. Wichtig scheint mir, dass die Frage der Stimmigkeit zur Person nicht kurzerhand beiseite geschoben wird. 
Intrinsisch motiviert besser - sagt die pädagogische Forschung – als extrinsische Motivation, etwa der Anreiz durch materielle Vergütung. Die große Chance des Entrepreneurship und des Gründers liegt doch gerade darin, sich eine Aufgabe zu wählen, die mit den persönlichen Neigungen und Talenten, aber auch den eigenen Wertvorstellungen im Einklang steht.

Der Gedanke, dass das Entrepreneurial Design stimmig zu Ihrer Person sein sollte, ist keineswegs selbstverständlich. Das Prinzip der opportunity recognition hat wenig oder überhaupt nichts mit der Person des Gründers zu tun. Die Frage »Passt die sich abzeichnende Gelegenheit auch zu meiner Person?« wird gar nicht erst gestellt. Die Gelegenheit sei das Wertvolle, stehe im Mittelpunkt und nicht Sie als Person.
Auch bei den Förderprogrammen geht es nicht um Sie, Ihre Talente oder Ihre persönlichen Vorlieben. Die staatlichen Programme haben den Beschäftigungseffekt Ihrer Gründung im Auge. Sei es, weil man hofft, dass Sie als Arbeitsloser selbständig tätig werden, sei es, dass man hofft, dass durch Ihre Gründung weitere Arbeitsplätze entstehen.

Auch Kapitalgeber tragen nicht Ihre persönlichen Anliegen im Herzen. Sie wollen Erfolge sehen. Venture Capital setzt Ihnen milestones, die Ihnen den Takt vorgeben. Schnelles, hohes Wachstum ist das Ziel. Wehe, Sie schaffen es nicht. Dann wird der 110-Seiten-Vertrag, den gewiefte amerikanische. Juristen aufgesetzt haben, gegen Sie exekutiert. Ich bedaure die Gründer, die mehr Zeit mit der Vorbereitung von Finanzierungsrunden verbringen als mit der Arbeit am Entrepreneurial Design.

Und die Gründer selbst? Gehen Sie von der eigenen Person aus? Keineswegs. Die Vorstellung, dass erfolgreiches Gründen mit einer zündenden Idee zu tun hat, ist tief verankert. So, als käme es auf den Einfall an, so, als würde ein genialer Blitz Licht ins Dunkel der Möglichkeiten bringen. Damit kommen Sie nicht weiter. Das, was wir über geniale Erfindungen oder bahnbrechende Ideen kennen, ist meist das Ergebnis langjährigen Bemühens und hartnäckig-konsequenten Bearbeitens eines Problems.

Der Genieblitz steht, wenn überhaupt, am Ende, nicht am Anfang dieser Arbeit.
An der Person des Gründers vorbeizudenken, wäre ein schwerer Fehler. Ja, zugegeben – man macht das beim Entrepreneurship nicht. Die Person in den Mittelpunkt rücken. Wo kämen wir da hin? Es geht doch um den Markt. Es geht darum, etwas anzubieten, was von den Marktteilnehmern gebraucht und nachgefragt wird. Überlegen wir einen Augenblick. In der Tat ist es richtig, dass es auf den Markt ankommt. Aber widerspricht das notwendig der Auffassung, den Gründer und seine persönlichen Neigungen in die Betrachtung mit einzubeziehen? Wenn es um die Wahl des Berufs geht, gehen wir doch auch von der Person aus, auch wenn im Markt für andere Berufe momentan mehr Nachfrage besteht. In Sachen Berufswahl leuchtet uns unmittelbar ein, dass wir nicht den Menschen beiseiteschieben können. Warum also nicht auch bei der Wahl des Gebietes, auf dem ich mich als Gründer betätigen will? Entrepreneurship ist auch ein Beruf, allerdings mit der Chance, näher an der Vorstellung von »Berufung« zu sein als in abhängiger Beschäftigung.

Das Konzept muss stimmig zum Markt sein – richtig. Aber wenn es nicht auch stimmig zur Person des Gründers ist, laufen wir Gefahr, dass die Energie, die Leidenschaft und die Ausdauer nicht ausreichen, den langen Weg vom ersten Einfall zum ausgereiften Konzept, zur erfolgreichen Markteinführung und schließlich zum Aufbau und Wachstum eines erfolgreichen Unternehmens gehen zu können. Von Malcolm Gladwell stammt die These, dass es mindestens 10 000 Stunden Beschäftigung mit einem Thema braucht, um Meisterschaft in einem Fachgebiet zu erreichen. So viele Stunden – wie soll man die Zielstrebigkeit und Selbstdisziplin aufbringen, wenn das gewählte Gebiet den eigenen Neigungen nicht wenigstens in Teilen entspricht und Freude macht? Überfordern wir uns nicht zwangsläufig? Die meisten Menschen, die ich getroffen habe, glauben, dass man als Gründer eiserne Disziplin mitbringen müsse. Das ist nur halb richtig. Ja, Disziplin braucht es, aber noch wichtiger ist Begeisterung. Wenn es nur Disziplin ist, die uns zur Arbeit bringt, halten selbst willensstarke Menschen nicht lange durch. Begeisterung ist das bessere Element. Es lässt uns die Mühen und Anstrengungen – wie beim Sport – leichter wegstecken, ja oft gar nicht als solche empfinden.

Kritiker dieser Betrachtungsweise werden monieren: Geht es nicht doch im Kern über die Verfügung über Kapital? Ist Kapital gar der Engpass? Muss der Gründer oder das Team nicht umfassend Managementkompetenz und Wissen in allen einschlägigen Gebieten eines Unternehmens mitbringen?

Bevor wir diese Fragen beantworten, sehen wir uns an, welche Möglichkeiten bestehen, die Kapitalerfordernisse aber auch die Managementerfordernisse zu reduzieren.

Laden Sie sich hier das PDF vom zwölften Auszug des "Handbuch Entrepreneurship" runter.

Hier gelangen Sie direkt zum "Handbuch Entrepreneurship" - erschienen beim Springer Gabler Verlag.

 

* für viele Bygrave 1994 und Fueglistaller 2012
** Seine bekannteste Gründung: die Ebuero AG, ein Bürodienstleister
*** Zum sog. Entstehungsansatz vgl. Fueglistaller S. 62ff.

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