Prof. Faltin zum Thema Entrepreneurship versus Business Administration

Veröffentlicht am: Feb 1, 2008
Entrepreneurship Campus

Von Entrepreneurship Campus

Prof. Faltin zum Thema Entrepreneurship versus Business Administration

Der folgende Artikel von Prof. Günter Faltin zum Thema Entrepreneurship ist in der Sonderausgabe "Start-up 2008 - ein Leitfaden zu Gründung und Finanzierung" des VentureCapital Magazins erschien.

Entrepreneurship versus Business Administration

Die Notwendigkeit und Chance der Arbeitsteilung

Von Prof. Günter Faltin, Arbeitsbereich Entrepreneurship, Freie Universität Berlin

Wie sollen Gründer die an sie gestellten umfangreichen An- forderungen bewältigen? Der angelsächsische Sprachraum kennt eine entscheidende Differenzierung, die wir aufgreifen und übernehmen sollten. Er grenzt „entrepreneurship“ ab von „business administration“. Während der letztere Begriff die Bewältigung der Unternehmensaufgaben unter den mehr organisatorischen und verwaltenden Aspekten beschreibt, lenkt uns der Begriff Entrepreneurship auf die eher kreativen, innovativen Teile der Neugründung. Diese Unterscheidung findet sich im Deutschen nicht, ist aber außer- ordentlich wichtig, weil mit ihr auch zwei unterschiedliche Tätigkeitsfelder umrissen werden. Entrepreneurship ist im Kern ein kreativer Akt, es ist die Fähigkeit, sagt Timmons, etwas praktisch aus dem Nichts zu schaffen.

Entrepreneurship arbeitsteilig angehen...

Entrepreneurship verlangt daher einen kreativen, schöpferischen „Mind Set“, während Business Administration die ordnenden, kontrollierenden, verwaltenden Fähigkeiten voraussetzt. Die meisten Menschen verfügen aber nicht über beide Fähigkeiten. Daher überfordert man Gründer, wenn man ihnen beides aufbürdet. Folgt man diesem Argument, so ergibt sich die Notwendigkeit von Arbeitsteilung. Dies eröffnet aber auch die Chance, den Gründer für die kreativen, schöpferischen Teile freizustellen. Konsequent zu Ende gedacht heißt das: Als Gründer müssen Sie an Ihrem Unternehmen arbeiten, nicht notwendigerweise in Ihrem Unternehmen. Die Vorstellung, dass der Gründer alles können muss, stammt aus dem letzten Jahrhundert, eigentlich noch aus dem vorletzten. Es ist an der Zeit, sie aufzugeben. Der Terminus Entrepreneurship ist auch deshalb so hilfreich, weil er sich deutlich von dem deutschen Begriff der Selbständigkeit abhebt. Im Englischen redet man in diesem Zusammenhang von „self-employed“ oder „owner-manager“. So unaussprechlich das Wort Entrepreneurship auch ist, wir kommen an dem Begriff nicht vorbei. Sorgfältig etwas durchdenken, zu einer neuen Lösung kommen und dieses Neue durch die Gründung eines Unternehmens auch praktisch umsetzen – dafür haben wir zunächst kein eigenes deutsches Wort. „Unternehmensführung“ oder „Unternehmertum“ treffen den Punkt nicht.

...sonst wird Selbständigkeit unattraktiv

Es lohnt sich, unter diesem Gesichtspunkt die Situation vieler kleiner Selbständiger zu betrachten. Sie haben ein Restaurant gegründet, einen Friseursalon, eine Modeboutique oder einen Copy Shop und arbeiten sich schier zu Tode. Als imitative Gründungen ohne klar erkennbaren Marktvorteil unterliegen sie einer Konkurrenz, der sie nichts oder nur wenig Eigenes entgegenzusetzen haben. Statt selbst zu führen, d. h. Marktentwicklungen rechtzeitig zu erkennen und Produkte zu verbessern, reiben sie sich in der Organisation des Alltagsgeschäfts auf. Sie haben kein eigenes Konzept erarbeitet, sondern ein Geschäft gegründet und können sich kaum über Wasser halten. Das Bonmot „Selbstständig sein heißt alles selbst machen und das ständig“ trifft ihre Situation leider nur zu gut. Die Kinder von Selbständigen, die als Studenten zu mir kommen, sind regelmäßig diejenigen, die sich am längsten dem Gedanken an eine Unternehmensgründung verschließen. Die Bilder von zu Hause, die Belastung und Risiken, der Druck aus den laufenden Verbindlichkeiten, der Ärger mit dem Personal, die Klage über hohe Steuerzahlungen, die Sorge vor der nächsten Inventur sind ihnen nur zu geläufig.

Mehr als Betriebswirtschaftslehre

Auch aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass es wenig hilfreich ist, in der Qualifizierung von Gründern den Nachdruck fast ausschließlich auf die Aneignung betriebswirtschaftlichen Wissens zu legen. Dies wird weder der Vielschichtigkeit des Phänomens Entrepreneurship gerecht, noch berücksichtigt es die kreative Dimension, die in der Ausarbeitung eines guten „Entrepreneurial Design“ liegt. Die Betriebswirtschaftslehre ist historisch aus den Anforderungen von Großunternehmen entstanden, als Management Science zur Bewältigung organisatorischer Komplexität. Die kreative Dimension einer Gründung ist nicht ihr Gegenstand. Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, dass Entrepreneurship von der Betriebswirtschaftslehre her gedacht werden könne. Es ist dies ein viel zu enges Paradigma. Um einem Missverständnis vorzubeugen: Natürlich sind im modernen Geschäftsleben betriebswirtschaftliche Kenntnisse absolut unverzichtbar. Der Begriff „Kenntnisse“ verharmlost sogar den Sachverhalt, geht es doch um viel mehr, nämlich um die unumgänglich notwendige Kompetenz, die Unternehmensaufgaben, mit all ihren organisatorischen, verwaltenden und rechtlichen Aspekten, erfüllen zu können. Betriebswirtschaftslehre ist ein Teil des Ganzen. Niemand stellt in Frage, dass Business Administration notwendig und wichtig für den Unternehmenserfolg ist.

Fazit:

Die Betriebswirtschaftslehre verfügt über wertvolle, erprobte und in der Praxis bewährte Instrumente. Die Frage, die hier gestellt wird, ist allein, ob es der Gründer ist, dem man diese Aufgaben wie selbstverständlich aufbürdet, oder ob man nicht besser arbeitsteilig vorgehen soll, angesichts des Umfangs und der Komplexität, die moderne Betriebswirtschaftslehre für Nicht-Ökonomen darstellt. Was kann den Vorrang beanspruchen? Deutschland, ein Land der Ideen? Oder ein Land der betriebswirtschaftlichen Formeln? Die Antwort sollte uns nicht schwer fallen. Mit Betriebswirtschaftslehre allein – so wichtig sie ist – werden wir unseren Wohlstand nicht aufrechterhalten kÖnnen. In anderen Ländern werden ihre Prinzipien rigider und rücksichtsloser durchgesetzt als bei uns. Die Chancen für ein hochentwickeltes und zivilisiertes Land wie Deutschland liegen in neuen, zukunftweisenden Ideen. „Masters of Business Administration“ verlassen zu Zehntausenden unsere Bildungseinrichtungen. Wo sind die „Masters of Ideas and New Concepts“? Die Wenigen, die wir haben, und die noch kleinere Zahl davon, die erwägt zu gründen, sollten wir nicht unnötig abschrecken oder zu betriebswirtschaftlichen Dilettanten machen. Wir sollten das Primat der Betriebswirtschaftslehre in der Beratung von Gründern aus wohlüberlegten Gründen aufgeben. Arbeitsteilung zwischen Entrepreneurship und Business Administration Mit Betriebswirtschaftslehre allein – so wichtig sie ist – werden wir unseren Wohlstand nicht aufrechterhalten können.


Die komplette Sonderausgabe kann beim VentureCapital Magazin bestellt werden.

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