Kopf schlägt Kapital - Warum in der postindustriellen Gesellschaft jeder im Konzert der Großen mitspielen kann

Veröffentlicht am: Aug 20, 2010
Entrepreneurship Campus

Von Entrepreneurship Campus

Kopf schlägt Kapital - Warum in der postindustriellen Gesellschaft jeder im Konzert der Großen mitspielen kann

Im Rahmen des Kongresses "Die Kunst des Wirtschaftens" der Akademie Heiligenfeld führte Alistair Langer ein Interview mit Prof. Faltin zum Thema "Kopf schlägt Kapital".

 

Im Folgenden nun der wesentliche Teil der Veröffentlichung.

 

Alistair Langer: Was unterscheidet den Entrepreneur vom Manager?

 

Prof. Faltin: Wenn man ein Unternehmen gründen will braucht man vor allem ein gutes Konzept. Wenn man nur das macht, was alle anderen auch schon tun hat man viele Nachteile. Man ist nicht bekannt, niemand hat auf einen gewartet. Man hat als Gründer meist auch kein Geld, um auf sich aufmerksam zu machen. Deswegen ist es vor allem am Anfang sehr wichtig, sich mit dem Konzept zu beschäftigen. Sie brauchen eine Innovation. In der Schumpeterschen Tradition von Entrepreneurship, und ich glaube das ist eine gute Tradition, ist es wichtig mit einer Innovation in den Markt zu gehen. Oder einfacher ausgedrückt: dass sie besser sind als das Bestehende. Wenn sie das nicht sind, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie zu den 80 Prozent Gründungen gehören, die nach fünf Jahren nicht mehr existieren. Das ist der Grund, warum ich das gedanklich trenne. Übrigens wird das im angelsächsischen Raum auch getrennt. Dort gibt es die beiden Begriffe "Entrepreneurship" und "Business Administration". Administration heißt Prozesse optimieren, es heißt Ordnung halten im weitesten Sinn. Und das ist eine Qualifikation die professionelles Training braucht. Masters of Business Administration verlassen zu Zehntausenden die Universitäten und man tut gut daran arbeitsteilig vorzugehen. Wenn man selbst kein guter Manager ist, sollte man diese Funktion einkaufen. Es braucht aber die Funktion des Entrepreneurs, des Innovators.

Wenn sie sagen, dass 80 Prozent der Gründungen nach fünf Jahren am Markt scheitern, mangelt es dann eher am Spirit, am Geist der Innovation oder eben an der Prozessoptimierung, der Umsetzung, den Managementqualitäten.

Die konventionelle Meinung sagt, es mangelt an der Umsetzung und am mangelnden Kapital. Meines Erachtens ist das jedoch nicht richtig. Zum Kapital zuerst. Wenn jemand stirbt, hört das Herz auf zu schlagen. Aber daraus zu schließen, dass die Krankheit eine Herzkrankheit war ist falsch. Es kann eine Herzkrankheit gewesen sein. Aber in den meisten Fällen war es das nicht. Genauso ist das auch mit dem Kapital. Am Schluss steht die Insolvenz. Zum Schluss ist kein Kapital mehr da. Das heißt aber nicht, dass das die Ursache war. Scheitern kann viele Ursachen haben, aber wenn sie mit einem guten Konzept antraten, mit einem Konzept, das deutliche Vorteile gegenüber den Konkurrenten aufweist, dann haben sie eine weitaus höhere Überlebenschance. Was haben Sie denn als Gründer zur Verfügung? Über viel Kapital verfügen Sie in der Regel nicht, wahrscheinlich sind sie auch kein erfahrener Manager. Dann bleibt eigentlich nur, dass Sie Ihren Kopf einsetzen und Zeit in Ihr Konzept investieren.

Sie sprechen viel über die Ideenentwicklung. Welche Schritte braucht es, um aus einer Idee ein erfolgreiches Businesskonzept zu formen?

 

Wir haben eine Reihe von Techniken entwickelt: von der Funktion ausgehen, statt von den Konvention; Bestehendes neu kombinieren, das Potential in Vorhandenem entdecken. Es gibt also Methoden, wie man systematisch an einer Idee arbeiten kann. Aber im Kern geht es um etwas anderes. Natürlich müssen sie als Maler auch die Techniken beherrschen, aber aus den Techniken allein entsteht kein Kunstwerk. Das eigentlich Künstlerische, Innovative entsteht dadurch, dass man mit neuen Sichtachsen an die Dinge herangeht.
Ich beobachte häufig, dass diese Ideen häufig von Menschen kommen, die der Wirtschaft kritisch gegenüber stehen, die auch keine guten Manager sind, die aber Ideen mitbringen, die in der Ökonomie eigentlich sehr gebraucht werden: Ideen, die über Gewinnmaximierung hinaus gehen und sinnvolle Ziele verfolgen. Um es mit Guy Kawasaki zu sagen "Go for a cause", "make meaning".
Ich bin überzeugt, dass heutzutage ein Schuss Idealismus eine hervorragende Voraussetzung für Erfolg auf dem Markt ist. Idealismus ist etwas Sympatisches. Und sympathisch zu sein ist ein großer Vorteil. Ich glaube es gibt auch eine Ökonomie der Sympathie. Sehen Sie beispielsweise den Bereich Babynahrung: Hipp steht gegen Nestlé. Hipp gewinnt kontinuierlich an Marktanteil. Obwohl Hipp viel kleiner ist und nicht die ökonomischen Möglichkeiten hat wie der große Nahrungsmittelkonzern Nestlé. Vergleichen die Kunden wirklich die Babynahrung sehr genau? Oder gibt die Person Hipp den Ausschlag? Konzerne sind wie Dinosaurier. Dinosaurier bringen eine Menge Masse mit und solange keine große Katastrophe passiert überleben sie. Masse hat eben auch "Gewicht". Unsere Chance ist es, uns für Anliegen einzusetzen, die auf die Sympathie der Menschen trifft.
Wir leben längst in einer postindustriellen Gesellschaft, aber wir ziehen keine Konsequenzen daraus. In der Vergangenheit waren für Deutschland die industriellen Sparten wichtig. Wir waren in fast allen technischen Bereichen führend, wie Bergbau, Stahl, Chemie, Automobilbau oder Optik. Aber diese Bereiche machen heute gerade noch 20 Prozent des Bruttosozialproduktes aus, und dies mit abnehmender Tendenz. Trotzdem redet die Politik fast nur von technisch industriellen Innovationen und meint, dass die Arbeitsplätze in der Industrie zu schaffen wären, dass wir Industrieansiedlungen brauchen. Unsere materiellen Bedürfnisse, jedenfalls bei uns, in der entwickelten Welt, sind ja längst befriedigt. Warum gehen dann nicht mehr Entrepreneure in post-industrielle Bereiche?

.seltsam: Von Kondratieff sollten selbst Mainstream-Ökonomen gehört haben, oder?

 

Die Antwort heißt dann schnell: "Es können doch nicht alle Psychologen werden." Wenn auf der einen Seite Arbeitskräfte eingespart werden, weil die Herstellung eines Automobils heute wesentlich weniger Arbeitszeit braucht als noch vor 20 Jahren, dann kann man natürlich diese Arbeitszeit auf neue Weise nutzen. Und wenn Menschen bereit sind, dafür zu bezahlen, dann ist das ökonomisch genauso wertvoll wie ein Arbeitsplatz in der Automobilindustrie.

.und vor allem nicht so ressourcenintensiv.

 

Wir sollten anfangen, Konsum auch de-materialisiert zu denken. Konsum muss nicht immer Ressourcen verbrauchen. Das Streben nach Glück, "the pursuit of happiness" wie es in der amerikanischen Verfassung so treffend als Ziel formuliert wird, kann in der post-industriellen Phase von Ressourcenverbrauch entkoppelt werden.

 

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