Der Resistenzeffekt

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Der Resistenzeffekt

Der Resistenzeffekt

von Günter Faltin (Auszug aus „David gegen Goliath“)

Wir finden einen Werbespruch verlockend, aber wir riechen förmlich, dass es ein Köder ist, der uns zu einem Kauf verleiten soll. So wie ein erfahrener Fisch um den Köder schwimmt und ihn beäugt, machen wir das auch. Es sind Köder ausgelegt, ganz viele Köder. Wir wissen das, aber oft ist die Versuchung einfach zu groß, wir beißen zu, können der Versuchung nicht widerstehen, wie der Fisch auch. Wir haben einmal mehr erfahren, dass wir einen nicht bedachten, nicht in unserem ökonomischen Interesse liegenden Kauf getätigt haben. Beim nächsten Mal sind wir noch misstrauischer. Wir Menschen entwickeln zunehmend Resistenz gegen Werbung.[1] Die Köderwirtschaft muss aufrüsten, um unseren Widerstand, um den Resistenzeffekt zu überwinden.

Und sie rüstet auf. Nutzt die Forschung, wird von ihr in die Arme genommen, so, als sei es das Selbstverständlichste der Welt, über gute Köder zu forschen, sie auszulegen und immer weiter zu verbessern.

Die Rede vom Konsumterror schien 1968 übertrieben. Heute ist das Unbehagen weitverbreitet. Es ist eine diffuse Beklommenheit, das Gefühl, permanent übertölpelt zu werden und, obwohl man das weiß und die Täuschungsmanöver ahnt oder gar durchschaut, dennoch mitzuspielen.

Wirtschaftlich ist es hoch attraktiv, mit Ködern zu arbeiten. Die Kosten des Köders sind ein Bruchteil dessen, was ich bekomme, wenn der Fisch anbeißt. Dumm also, wer keine guten Köder auslegt. Je besser der Köder, desto höher mein Gewinn. Wenn ich Gewinn maximieren will, muss ich die Köder maximal und virtuos gestalten. Es sind ohnehin die Käufer, die die Köder, direkt oder indirekt, bezahlen.

Mit einem kleinen Wurm bekomme ich einen großen Fisch. Wenn ich statt des Wurms eine Fliege aus Metall verwende, kann ich den Köder sogar mehrfach wiederverwenden. Das ist auch in der Köderwirtschaft so. Der Kunde schnappt zu, kauft das Produkt, aber die Köder bleiben: Die Werbesprüche, die Werbeflächen, die Farben, die Anmutungen, die emotionale Aufladung der Waren.

Die Digitalisierung gibt Unternehmen noch weitere Werkzeuge in die Hand. Heute schon fühlt sich eine Mehrheit von Konsumenten bedroht, beim Kauf ausgespäht zu werden, in der Absicht, sie bei zukünftigen Käufen beeinflussen zu können. Die Bedrohung wird sogar als stärker empfunden als die durch Hacker und Kriminelle. Und erstaunlicherweise deutlich höher als die Bedrohung durch Regierungsstellen, wie sie durch die NSA-Affäre bekannt wurde.[2]

Zählen Sie einmal in Ihrer Nachbarschaft, wie viele Briefkästen einen Zusatz tragen wie „Keine Werbung bitte“. Es sind erstaunlich viele. Eine Reaktion auf die Werbeflut. Marketing muss die Abwehr und die Immunisierung der Menschen gegen Werbung überspielen. Wir glauben der Werbung immer weniger. Wo die Glaubwürdigkeit sinkt, muss der Materialaufwand gesteigert werden. Wenn die Botschaften der Werbetexter nicht mehr wirken, engagiert man echte Menschen, um die Produkte hervorzuheben: Das Influencer-Marketing ist geboren. Marketing muss permanent aufrüsten, um den Widerstand gegen Werbung zu überspielen.


[1] Ein Beispiel: Immer mehr Verbraucher klagen über unerwünschte Telefonwerbung. 220.000 Beschwerden sind bei der Bundesnetzagentur 2016 eingegangen, sagte Jochen Homann, Chef der Behörde, bei der Vorstellung des Jahresberichts. Die Zahl der Verbraucheranfragen und - Beschwerden im Telekommunikationsbereich erreichte im Jahr 2016 damit einen neuen Höchststand. Zum Vergleich: 2015 gingen 178.000 Beschwerden ein, 2014 waren es 139.000. Quelle: www.spiegel.de/wirtschaft/service/bundesnetzagentur-rekord-bei-beschwerden- im-telekommunikationsbereich-a-1146693.html

[2] In einer Studie des Marktforschungsunternehmens Edelman mit 15 000 Teilnehmern in 15 Ländern wurden Konsumenten befragt, was sie als stärkste Bedrohungen ihrer Privatsphäre durch das Internet einschätzen. 51 Prozent der Befragten entschieden sich für die Bedrohung, die vom Datenverkauf durch Unternehmen ausgeht. Mit weitem Rückstand folgten die Bedrohung durch Hacker und Geheimdienste auf Platz 2 und 3. Zitiert nach: Steve Lohr: The Privacy Paradox, a Challenge for Business, New York Times, 12.06.2014 https://bits.blogs.nytimes.com/2014/06/12/the-privacy-paradox-a-challenge-for-business/ (abgerufen 23. 10. 2018)

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